- 03. Juli 2023
- Tradition & Innovation
- Peter Thomas
Kleine Autoträume ganz groß
Zum 70. Geburtstag von Matchbox
Zugegeben, die sprichwörtliche Größe einer Streichholzschachtel hat die britische Kultmarke Matchbox längst übertroffen, aber auch das passt ja zum Trend, der auf den Straßen zu beobachten ist. 70 Jahre jung wird Matchbox und ist noch immer aus keinem Kinderzimmer wegzudenken. Viele nehmen nicht bloß die Erinnerungen, sondern auch die kleinen Autos mit ins Erwachsenenleben.
Manchmal hilft ein bisschen Farbe
„Ein Opel Diplomat A“, strahlt Diplomingenieur Thorsten Mahr und nimmt unseren V8-Klassiker genau in den Blick. Ursprünglich wurde die Luxuslimousine der Marke mit dem Blitz im Jahr 1970 in Goldmetallic-Lackierung ausgeliefert. Zuletzt war die schillernde Farbhaut aber arg matt und zerkratzt, das Fahrwerk lädiert und die Frontscheibe nicht mehr ganz frisch. Heute steht der Oldtimer in neuem rotem Lack da. Die Leichtmetallräder sind ebenso nachgerüstet wie die Achsen, dafür fehlt die damals serienmäßige Anhängerkupplung. Matchbox-Tuning.
Vom kleinen zum großen Maßstab
Mahr hat das gleiche Baujahr wie der Klassiker, dem er gerade unter die Motorhaube schaut. Dort glänzt der mächtige 5,4-Liter-V8, der 1965 im Diplomat Coupé Premiere hatte und ab 1966 auf Wunsch auch in der Limousine zu haben war. Mit Opel-Oldtimern kennt sich der 52 Jahre alte GTÜ-Prüfingenieur bestens aus: „Faszination seit der Kindheit“, sagt er. Das drückt auch der Standort seiner Prüfstelle aus: Die denkmalgeschützte ehemalige Caltex-Tankstelle mit dem ikonischen, markant geschwungenen Spannbetondach liegt in direkter Nachbarschaft zum Rüsselsheimer Werk des Automobilherstellers.
Ein Fuhrpark automobiler Kinderträume
2008 hat Mahr den Standort eröffnet, zu dessen Leistungen auch Oldtimergutachten gehören. Unser Diplomat wird allerdings heute keines bekommen. Denn es handelt sich nicht um ein Auto in realer Größe, sondern eine Matchbox-Miniatur. 1966 kam das Modell in der klassischen Serie „1-75“ der Zinkdruckguss-Miniaturen auf den Markt, Sammler führen es heute als Katalognummer 36 C. 1970 wurde das Modell letztmals hergestellt, unser Diplomat stammt aus diesem finalen Baujahr. Er gehört zu einem ganzen Fuhrpark automobiler Kinderträume, die meisten davon in Maßstäben zwischen 1:76 und 1:50 von Herstellern wie Corgi, Dinky, Majorette, Matchbox, Mattel und Siku.
Der erfolgreichste Autohersteller der Welt
Der britische Hersteller Lesney war eigentlich auf die Fertigung von Zulieferteilen für die britische Automobilindustrie spezialisiert. Dann kamen zwei Ereignisse 1953 zusammen und sorgten für die zündende Idee der Matchbox-Fahrzeuge: Lesney-Mitinhaber John William Odell, genannt Jack, baute für seine Tochter eine kleine Straßenwalze als Spielzeug. Das Modell war winzig, denn in der von dem Mädchen besuchten Schule durften die Kinder nur solche Spielsachen mitbringen, die in eine Streichholzschachtel („Matchbox“) passten.
Eine Kutsche für die Queen
Im selben Jahr hatten die Metalldruckguss-Profis ein Kutschenmodell samt Pferden zur Krönung der jungen Queen Elizabeth II. auf den Markt gebracht. Mehr als eine Million Exemplare der 11,8 Zentimeter langen Miniatur („Small Coronation Coach“) wurden verkauft. Es war ein Coup für Lesney, der zugleich das Markpotenzial für Verkehrsmodelle deutlich machte. So entstand schließlich ebenfalls 1953 eine eigene Serie von Spielzeugfahrzeugen in Metalldruckgusstechnik, die in streichholzschachtelähnlichen Kartons verpackt wurden – die Marke Matchbox war geboren.
Die Konkurrenz kommt auch aus Deutschland
Lesney war nicht der erste Hersteller von Spielzeugautos, die im Zinkdruckgussverfahren („Die Cast“) hergestellt wurden: Der legendäre britische Spielzeugkonzern Meccano lancierte bereits 1934 seine „Dinky Toys“. Ab den 1950er-Jahren wurde die Konkurrenz schnell größer. Corgi Toys aus Großbritannien erschienen 1956, Siku aus Deutschland startete mit seinen Zinkdruckgussmodellen im Jahr 1963 und die „Hot Wheels“ des US-amerikanischen Herstellers Mattel sorgten 1968 für eine technische wie ästhetische Revolution im Markt.
Hüpfende Motorblöcke
Die ersten Matchbox-Personenwagen hatten vor allem britische Vorbilder wie Land Rover (1955), Vauxhall Cresta (1956), Austin A50, Ford Perfect, Jaguar XK 140 und MG T-Type (alle 1957). Schnell kamen auch Marken aus vielen anderen Ländern dazu. Dazu fuhren frei erfundene Miniaturen ins Portfolio – ästhetisch recht laut, farbenfroh lackiert und oft mit einem mächtigen silbernen Motorblock versehen. Für die jungen Besitzer der Spielzeugautos war die Funktion mindestens so wichtig wie das eventuelle Vorbild. Dafür standen die Leichtlaufachsen „Superfast“ und die „Rola-Matic“-Funktionen. So nannte es Matchbox, wenn die Räder der Miniatur in Fahrt verschiedene Mechaniken antrieben: Zum Beispiel die Drehplattform auf der Ladefläche eines Safari-Pick-up oder auf-und ab hüpfende Motorblöcke.
Mattel wird zum Retter
Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhundert erging es Matchbox dann wie vielen realen britischen Automarken – 1982 meldete Lesney Insolvenz an, Matchbox wurde mehrfach verkauft. Rettung kam schließlich von der Konkurrenz: 1997 übernahm Mattel, Hersteller der „Hot Wheels“, die britische Traditionsmarke. Mittlerweile hat das US-Unternehmen sogar wieder Pappboxen für einen Teil der Produkte eingeführt. Und zum 70. Matchbox-Geburtstag gibt es eine Reihe von Sondermodellen.
Prüfingenieur im Maßstab 1:71?
Und was ist mit den klassischen Matchbox-Miniaturen der vergangenen Jahrzehnte? Sie werden von einer internationalen Sammlerszene geschätzt. Die Königsdisziplin sind dabei optimal erhaltene Fahrzeuge mit originaler Verpackung. Aber es gibt auch viele Matchbox-Fans, die Spaß am Restaurieren ihrer Klassiker haben – entweder streng nach Vorbild oder mit viel Fantasie. Dabei helfen zahlreiche Hersteller von Ersatz- und Tuning-Teilen sowie Online-Tutorials. So kam auch unser Opel Diplomat zu neuem Glanz. Wenn es jetzt noch einen GTÜ-Prüfingenieur im Maßstab 1:71 geben würde, käme das Oldtimergutachten für den V8-Klassiker zustande.