Revolution auf dem Campingplatz

Vor 40 Jahren erscheint das erste Designer-Wohnmobil.

In einer Welt der weißen Wohnmobile fällt der Hobby 600 mit dem Mercedes-Lackton Champagner auf. Foto: Hobby

Auf Äußerlichkeiten kommt es der Caravaning-Branche in den frühen Achtzigern noch nicht an. Camper achten auf Stehhöhe und Bettenmaß, auf die Dicke der Seitenwände und die Größe der Heckgarage, doch das Design ist ihnen so egal wie der Zimmerpreis eines Fünf-Sterne-Hotels – sie kennen es ja nicht anders. Wohnmobile sind Weiß oder Beige, mehr Individualität ist nicht vorgesehen. Und innen drin sieht’s aus wie in der Pension Gertrud, wenn’s nicht gerade ein Oberklasse-Modell ist. Bis Hobby auf dem Caravan Salon 1984 den 600 präsentiert. Der ist Deutschlands erstes Designer-Wohnmobil und wirkt im Einerlei der weißen Ware so mondän wie eine Yacht auf Rädern. Teuer ist so ein Hobby 600 aber trotzdem nicht, was ihn vom ersten Tag an zum Erfolgsmodell nicht.

Zum 20-jährigen Jubiläum der Baureihe posiert Camping-Pionier Harald Striewski vor dem Ur-600 und dem Modell von 2004. Foto: Hobby

Der Triumph des Teilintegrierten

Nebenbei ist der Hobby 600 auch noch der erste Teilintegrierte, der sich auf dem deutschen Markt durchsetzen kann – schon dafür hat er den Dauerstellplatz in der Hall of Fame des Fernwehs verdient. Für Nicht-Wohnmobilisten: Teilintegriert heißt, dass die Fahrerkabine des Basis-Fahrzeugs erhalten bleibt. Der Wohnmobil-Aufbau beginnt erst hinter den Türen, das drückt den Herstellungspreis und macht einen Glasschaden unterwegs nicht zum Drama, weil anders als bei Vollintegrierten keine teure Kleinserien-Scheibe gebraucht wird.

Los geht es in einer Garage

Wie so oft in der Automobil-Geschichte steht auch hinter dem Hobby 600 ein Einzelunternehmer, der sich mehr traut als seine Mitbewerber. Vielleicht liegt es auch daran, dass dieser Harald Striewski, Jahrgang 1937, gar kein Autokonstrukteur ist, sondern Schiffbau-Ingenieur. Die Karriere in der Caravaning-Branche beginnt 1965 in der Garage seines Eigenheims in Fockbek bei Rendsburg, wo er den ersten Wohnwagen baut. Die 3000 Mark fürs Material hat er nicht, deshalb pumpt er seine Tante an. Und die muss nicht lange auf die Rückzahlung warten, denn bevor der junge Familienvater im eigenen Caravan verreisen kann, hat er ihn für 6000 Mark verkauft. Bald darauf wird aus dem Hobby des Schiffbauers die größte Wohnwagen-Marke Europas und zeitweise auch der Welt.

Der Name müsste gar nicht so groß draufstehen. Schon der markante Heckabschluss macht den Hobby 600 zum unverwechselbaren Wohnmobil.
Foto: Hobby

Der Chef ist sein eigener Designer

Auch sein erstes Wohnmobil entwirft Striewski ab 1982 selbst. Aus der kleinen Garage ist eine Fabrikhalle geworden, doch sonst hat sich nicht viel geändert: Die alten, nicht ganz scharfen Fotos zeigen den Chef, wie er in Arbeitsklamotten am ersten Holzmodell feilt. Nur das riesige Heckfenster der Studie schafft es nicht in die Serie, der spoilerartige Heckabschluss und die schrägen Seitenfenster dagegen tragen ab 1984 zum Wiedererkennungswert des Hobby 600 bei. Auch die gewölbten Seitenwände erregen erhebliches Aufsehen. Und dazu kommt die auffällige Farbgebung, denn Striewski setzt auf vornehmes Goldmetallic, Champagner getauft.

Hobby-Chef Harald Striewski (re.) vor dem ersten Designmodell, das Foto stammt von 1983. Das große Heckfenster schafft es nicht in die Serie. Foto: Hobby

Günstig trifft mondän

Beim Basis-Fahrzeug bleibt Hobby bodenständig, der Avantgarde-Camper aus Fockbek steht auf dem Flachboden-Fahrgestell des damals noch recht neuen Fiat Ducato. Innen dagegen setzt sich der Hobby 600 mit seinen luxuriösen Details vom Wohnmobil-Mainstream ab. Schon das Bord Control Center über der Kabine, mit dem sich die Technik des Aufbaus steuern und überwachen lässt, ist ein spektakulärer Anblick. Goldfarbene Polster kontrastieren mit dunkelblauem Kunstleder oder Velours als Wandverkleidung, hölzernen Schrankklappen und Berberteppich auf dem Boden, das gibt es sonst eher bei hochpreisigen Yachten als in Wohnmobilen der 45.000-Mark-Klasse. Auch das lässt selbst abgeklärte Tester zu Hobby-Fanboys werden.

So sieht trendiges Campen in den Achtzigern aus. Die hintere Sitzgruppe lässt sich zum Doppelbett umbauen.
Foto: Hobby

78 PS müssen erstmal reichen

Niemanden stört, dass der Hobby 600 das Temperament einer Wanderdüne entwickelt, ganz gleich, ob ihn seine Bewohner mit 72-PS-Dieselmotor oder 78-PS-Benziner bestellen. Und auch anspruchsvolle Camper sind abends gerne bereit, die hintere Sitzgruppe per Polster-Tetris zum Doppelbett umzubauen. Erst 1987 bietet Hobby das Erfolgsmodell mit festem hinterem Querbett an. Die heute übliche Kassettentoilette und Dreipunkt-Gurte im Wohnbereich folgen sechs Jahre später. Der Popularität des Trendsetters schadet es nicht, weshalb ihn die Leser von „Promobil“ zwölfmal hintereinander zum „Reisemobil des Jahres“ wählen.

Wer Kontakt zur Fangemeinde sucht: hobby600.de

„Motorcaravan“ ist der althochdeutsche Begriff für Wohnmobil. Ja, 1984 ist wirklich schon so lange her, der Titel des Fachmagazins „Promobil“ zeigt es.
Foto: Archiv Christian Steiger

Das Museum des vergessenen Autozubehörs

Noch seltener als der Wirbulator ist heute der gut erhaltene Originalkarton aus den Fünfzigern.
Foto: Wim Woeber/Büro für gute Worte

Willkommen in der wunderbaren Welt der kleinen und großen Dinge, die das Auto ein bisschen schöner und besser machen: Wir wühlen im großen Regal der Zubehörgeschichte und zeigen die vergessenen Extras von gestern. Zum Auftakt gibt’s ein Wiedersehen mit dem Wirbulator, dem patentierten Schmutz- und Insektenschutz der Wirtschaftswunder-Ära.

„Millionen von Autofahrern ärgern sich über Tausende von Insekten, die bei rascher Fahrt gegen die Frontscheibe prallen und sie ausgiebig verschmutzen.“ So steht es im Fachblatt „Das Auto – Motor und Sport“, Ausgabe 17/52, und macht die Jüngeren unter uns vermutlich etwas ratlos. Ja, warum betätigen die Herrenfahrer der frühen Adenauer-Ära nicht einfach ihre Scheibenwasch-Anlagen, um die sommerliche Schmiere vom Glas zu wischen?

Noch seltener als der Wirbulator ist heute der gut erhaltene Originalkarton aus den Fünfzigern.
Foto: Wim Woeber/Büro für gute Worte

Der Blindflug gehört zum Auto-Alltag

Die Antwort ist so einfach wie erstaunlich: Die meisten Autos der frühen Fünfziger haben keine Waschanlage. Der Käfer bekommt sie erst im August 1960, doch auch dann nützt sie nicht allzu viel, weil der Scheibenwischer des Volkswagen noch sieben Jahre lang mit einer einzigen Stufe auskommen muss. So kommt es, dass die Kinder des Wirtschaftswunders an heißen Sommertagen im Blindflug durchs Land brettern. Sie können ihre Windschutzscheiben gar nicht so häufig putzen, wie sie wieder schmutzig werden. Deshalb klemmen sich die tapferen Motoristen ein schaufelartiges Plexiglas-Gebilde auf die vordere Haube – und glauben anschließend fest daran, dass es wenigstens einen Teil des Drecks und der Insekten von der Scheibe fernhält.

Schutz und Schmuck für nur fünf Mark

Wirbulator heißt das patentierte Wunderding, das sich damals für fünf D-Mark an jeder Tankstelle kaufen lässt. „Bitte versäumen sie nicht, sich diese bedeutende Neuerung, die nach aerodynamischen Gesetzen im Windkanal entwickelt wurde, vorführen zu lassen“, wirbt die Herstellerfirma Radtke & Wahl in Hannover damals. Denn: „Der Wirbulator schützt und schmückt Ihren Wagen.“

In Amerika gibt es die Schmutzabweiser in vielen Formen und Farben – und auch in einer Version zum Umklappen.
Foto: eBay USA

Herr Obermedizinalrat hat eine Idee

Als Erfinder lässt sich kein Strömungsforscher feiern, sondern Dr. med. et phil. Fritz Trendtel, ein Obermedizinalrat, der sich neben seinem Hauptberuf im Gesundheitsamt von Hannover mit Fachveröffentlichungen wie „Hygiene des Sexuallebens“ befasst. Auf die Idee, sich auch noch um die Sauberkeit von Autoscheiben verdient zu machen, bringt ihn nach eigenen Angaben eine Amerika-Reise. Auf der Fahrt von New York nach San Francisco staunt der Mediziner nicht schlecht darüber, dass die Kühlerfigur seines US-Autos die Insekten von der Scheibe fernhält. Es könnte aber auch sein, dass der Herr Doktor auf seiner Reise die vielen Plexiglas-Abweiser entdeckt hat, die sich auf dem US-Markt verbreitet haben. Als Bug Deflector oder Bugflector gibt es sie in allen Farben und Formen zu kaufen, sogar verchromt, mit integriertem Propeller oder Thermometer, in Form eines Düsenflugzeugs, eines Vogels oder eines nackten Frauenkörpers.

Splittern verboten: Fußgängerschutz geht vor

So weit gehen die deutschen Produzenten nicht. Sie haben auch nicht viel Zeit, denn in seiner ursprünglichen Form gibt es den Wirbulator wahrscheinlich nur bis 1958.  Eine große Story in der Illustrierten „Stern“ prangert damals die Verletzungsgefahr von Fußgängern durch scharfe und spitze Anbauteile von Autos an. Gemeint sind vor allem spitze Kühlerfiguren und buchstäblich schnittige Radkappen mit Zentralverschluss, doch als das Bundesverkehrsministerum eine Richtlinie zur Entfernung gefährdender Teile erlässt, gehört auch der Wirbulator dazu. Seine Halterung muss künftig nachgiebig sein, zudem darf das Kunstoffteil weder Splitter noch scharfe Kanten bilden, wenn es kracht.

Manche Autofahrer haben in den Fünfzigern einen Vogel – als Schmutzabweiser auf der Haube.
Foto: aircooledaccessories.com

Sammlerstück für die Vitrine

Zum Ende des Wirbulators tragen auch die großen Zubehör-Hersteller wie VDO oder Lucas bei, die immer mehr Scheibenwaschanlagen zum Nachrüsten anbieten. Schon für 25 bis 30 Mark lassen sie sich um 1960 in Gebrauchtwagen einbauen. Auch diese charmanten Vorrichtungen mit Fußpumpe und Gummi-Wassersäckchen im Motorraum sind inzwischen gesuchte Zubehör-Gadgets. Aber keine, die Sammler heute in ihre Vitrinen stellen wie die Original-Wirbulatoren im roten Pappkarton der Fünfziger.

Der körperbetonte Queen Bug Deflector ist ein skurriles Zeitdokument aus dem Amerika der 1950er-Jahre.
Foto: eBay USA

Der Lebenslauf des Autos: 90 Jahre Kfz-Brief

Das sollte künftig alle Daten über Fahrzeuge und ihre Halter sammeln

Mit der abgeschnittenen Ecke endet das amtliche Leben des Autos

„Ungültig“ steht da, mit lila Stempelfarbe auf den graugrünen Einband aus Pappe gedrückt. Ohne Zweifel, der gute alte Kraftfahrzeugbrief ist Geschichte, denn schon 2007 hat ihn die EU-Zulassungsbescheinigung Teil II abgelöst. Aber das heißt nicht, dass er für Oldtimer-Fans keine Rolle mehr spielt. Im Gegenteil, viele von ihnen freut es sehr, dass nicht nur ihr altes Auto oder Motorrad überlebt hat, sondern auch der dazugehörige Kfz-Brief. Der ist nicht weniger als der Lebenslauf eines Klassikers: Im besten Fall dokumentiert er noch nach Jahrzehnten, an welchem Tag ein Fahrzeug das Werk verließ, wie der Erstbesitzer hieß und wie viele Halter es nach ihm gab. In der Regel steigert es sogar den Marktwert, wenn der alte Brief noch da ist: Endlich mal ein Stück Bürokratie, von dem der Oldtimer-Fan etwas hat!

Im Frühjahr 1972 kommen ein neues Layout und der Name Fahrzeugbrief

Stichtag im Mai 1934

Es ist erstaunlich, wie wenig die Oldtimer-Szene heute über die Geschichte des Dokuments weiß. Weder das Kraftfahrtbundesamt noch das Bundesverkehrsministerium können auf Anfrage etwas dazu sagen, auch die Bundesdruckerei als jahrzehntelanger Produzent des fälschungssicheren Papiers muss passen. Immerhin wissen wir, dass die ersten Kfz-Briefe vor genau 90 Jahren ausgegeben wurden, am 1. Mai 1934. Und ein Blick ins Archiv verrät, dass es vorher wild zugegangen sein muss mit den Dokumenten im deutschen Autohandel.

Der graugrüne Einband lässt Oldtimer-Fans vom Pappdeckel-Brief sprechen, hier ein frühes Exemplar von 1938

Sicherheit für Autokäufer

„Die Verhältnisse des Kraftfahrzeugmarkts hatten zu Zuständen geführt, die ein Einschreiten des Staates notwendig machten“, heißt es rückblickend im Jahr 1951, als der Deutsche Bundestag die Gründung des Kraftfahrt-Bundesamts beschließt. Das sollte künftig alle Daten über Fahrzeuge und ihre Halter sammeln, so wie es vor 1945 schon das Reichsverkehrsministerium in Berlin getan hatte. Über die Notwendigkeit des Kraftfahrzeugbriefs gibt es in der jungen Bundesrepublik keine Diskussion, weil er unabhängig von allen politischen Einflüssen vor allem Sicherheit für Autokäufer und den Handel schafft.

Auch beim Hersteller muss jeder Stempel-Abdruck sitzen, hier der Brief eines Borgward Hansa 1500 Isabella von 1954

Diebe haben es schwerer

Natürlich gibt es auch vor 1934 schon polizeiliche Kennzeichen und einen Fahrzeugschein, den die lokalen Behörden ausgeben. Aber ein staatliches Dokument, das wie ein Ausweis zum Auto gehört, existiert ebenso wenig wie die überregionale Erfassung der Daten. Diebe haben leichtes Spiel, wenn sie Autos mitgehen lassen und an gutgläubige Schnäppchenjäger verkaufen. Mit dem Kraftfahrzeugbrief wird das schwieriger, denn das kleine DIN-A5-Heft dokumentiert, wer als Halter eingetragen ist.

Ein Brief geht auf Reisen

„Man kaufe kein Kraftfahrzeug, bei dem die Papiere nicht in Ordnung sind, insbesondere der Kraftfahrzeugbrief nicht gleich ausgehändigt werden kann“, heißt es in einer Autozeitschrift von 1936. Insbesondere die Banken begrüßen das amtliche Dokument, sie legen es als Sicherheit in den Safe, bis der Kunde seine letzte Kreditrate überwiesen hat. Der Brief geht also tatsächlich auf Reisen, daher der eigentümliche Name. Jeder einzelne Haltereintragung wird bis in die Fünfziger von der zentralen Behörde geprüft, von Hand in die Kartei übertragen und per Stempel bestätigt – ein irrer Aufwand.

Der Kraftfahrzeugbrief begleitet das Auto sein Leben lang – und so sieht er nach Jahrzehnten auch aus

Sechs Besitzer sollen reichen

Bis zum Frühjahr 1972 noch stehen die Berufe im Kraftfahrzeugbrief, manchmal finden sich dort skurrile Tätigkeiten wie Seifensieder, Kapellmeister oder Zeitungskolporteur, erst danach trägt die Zulassungsstelle stattdessen das Geburtsdatum ein. Das Dokument heißt jetzt offiziell Fahrzeugbrief, ist nicht mehr in Pappe gebunden und lässt sich auch von den Computersystemen großer Zulassungsstellen bearbeiten. Was bleibt, sind die Felder für sechs unterschiedliche Halter, die oft, aber nicht immer für ein ganzes Autoleben reichen. Die amtliche Existenz endet stets mit der Entwertung des Briefs, dem bei der Zulassungsstelle die rechte Ecke abgeschnitten wird.

Amtliche Lektüre für Nostalgiker

Es soll Automobilia-Sammler geben, die in alten Pappdeckel-Briefen lesen können wie in einem Roman. Schrauber suchen mehr nach seltenen Einträgen von stärkeren Motoren, größeren Rädern und Sportauspuffanlagen. Auch bei der Vollabnahme durch die GTÜ-Experten kann heute ein alter Brief nützlich sein.