Elon Musk und der Führerschein-Ärger

Lassie, unser Kolumnen-Dienstfahrzeug, begibt sich in die unendlichen Weiten der Führerscheinprüfung.

Foto: SpaceX

Was sich Elon Musk bloß dabei gedacht hat: einfach einen Tesla Roadster ins Weltall zu schießen, und ihn dort schon seit drei Jahren kreisen zu lassen. Hat er sich etwa vorher nach einer korrekten Fahrerlaubnis für Starman, den Astronauten hinter dem Steuer, erkundigt? Vermutlich nicht! Sonst würde das Auto nicht die Erde umrunden, sondern sein Starman hierzulande im Stau stecken. In der schier unendlichen Schlange aller Prüflinge.

Monopol bremst sogar Raketen aus

Die nötigen Fahrstunden hätte der Tesla-Pilot natürlich schnell hinter sich bringen können. An Fahrschulen und Fahrlehrern liegt es sicher nicht, sie sind bestens vorbereit und willig, alles für ihre Schüler zu tun. Aber gleich danach würde für ihn schon auf der Erde eine Art schwereloser Zustand beginnen, allerdings ein ungewollter und ziemlich unangenehmer. Von wegen Raketentempo – nur in Zeitlupe würde er sich dem dringend benötigten Prüfungstermin nähern können, falls er überhaupt einen bekommen hätte. Eine galaktische Geduldsprobe auf dem harten Boden unserer Tatsachen.

Die neue Mobilität wird blockiert

„Sorry, Mister“, heißt es beim zuständigen TÜV, „uns fehlen die Leute.“ Das ist zwar eine Begründung, aber kein guter Grund für die inzwischen jahrelangen Missstände. Die eigentliche Ursache liegt darin, dass derzeit mit Ausnahme von Berlin nur eine einzige Prüforganisation die Flut der Prüfungen abnehmen darf. Und das, obwohl die Zahl der Führerscheinwilligen parallel dazu gerade wieder ansteigt. Merke: Neue Mobilität fängt auch für Menschen, die nicht gleich den Weltraum erobern wollen, mit einem Führerschein an.

Sogar ein Elon Musk, der vielen davonfahren und sogar fliegen kann, wäre dem veralteten Prinzip Führerscheinerteilung ausgeliefert. Wo bleibt der Wettbewerb? Immerhin, er könnte sich mit anderen Pionieren verbünden, die die Dinge im Sinne der Menschen dringend beschleunigen möchten, der GTÜ beispielsweise.

Einmal nach Palo Alto, via Führerscheinstelle

Mit Monopolen setzt sich einer wie Musk nur auf eine Art auseinander: er durchbricht sie mit guten Ideen. Eine Achse der Beschleunigung vom Stuttgarter Fasanenhof nach Palo Alto in Kalifornien, wenn das kein Bündnis wäre. Die erste gemeinsame Fahrt müsste ja nicht gleich in die Milchstraße führen. Eine kurze Beschleunigung zur Führerscheinstelle würde schon reichen. Ach ja, für alle, die sich wundern, wie der Starman dann doch ohne TÜV-Genehmigung auf seine Umlaufbahn geraten ist: bei ihm handelt es sich in Wirklichkeit um eine Puppe. Dafür war dann nur eine Materialprüfung notwendig.

Lassie, das Redaktions-Dienstfahrrad erschöpft von der langen Wartezeit (Foto: Bernhard Kahrmann)

Einer, der die Prüfer prüft

Professor Dr. Ing. Manfred Wallrich blickt auf mehr als ein Vierteljahrhundert im Dienst der GTÜ-Akademie zurück.

Es klingt, als wäre es nur ein lustiges Wortspiel, aber es hat einen ernsten Hintergrund: Prüfingenieure, die andere prüfen sollen, müssen selbst geprüft werden. Vielleicht sogar noch ein bisschen härter. So ist die Akademie der GTÜ entstanden, und einer ihrer Geburtshelfer ist Professor Dr. Ing. Manfred Wallrich aus Eschweiler. Bis zum Ausbruch der Pandemie im vergangenen Frühjahr, als große Präsenzveranstaltungen unmöglich wurden, bildete er Ingenieure aus und prüfte sie. An seine erste Schulung für die GTÜ erinnert er sich noch genau: Rosenmontag 1993 in Kulmbach. Es folgte mehr als ein Vierteljahrhundert im Dienst der Lehre und der Prüforganisation. Heute, als Rentner, sagt er: „Wir alle können mit Stolz darauf blicken, was aus der GTÜ-Akademie geworden ist.“

Die Sache mit dem Frühstücksraum

Die Mittel am Anfang sind bescheiden, die Akademie ist zu Gast in Industrie- und Handelskammern, aber schnell entsteht ein Netz mit Standorten im Süden, Norden und Osten. Fünf Tage Fortbildung im Jahr sind Pflicht für alle Prüfingenieure. Der Blockunterricht beginnt vor 25 Jahren am Timmendorfer Strand. Doch bevor Professor Wallrich mit dem Vortrag starten kann, teilt ihm die Hotelbesitzerin mit: „Ich brauche den Frühstücksraum heute zwei Stunden länger, sie können ihn nicht für ihr Seminar nutzen.“ So soll die erste Großveranstaltung aber nicht beginnen, Unterschlupf findet das Seminar ein paar Meter weiter im „Seeschlösschen“, wo bis heute getagt wird. „Flexibel sein, das Beste aus allem machen“ ist das Mantra zu einer Zeit, als die GTÜ nur 250 Prüfingenieure umfasst.

Einer, der alle mitnehmen will

Dem Enthusiasmus tut das keinen Abbruch, im Gegenteil. Der Strenge im Unterricht auch nicht. Dessen ist sich Manfred Wallrich bewusst. Schon im Studium an der renommierten RWTH in Aachen erkennt er, dass ihn die Lehrtätigkeit fasziniert. „Ich habe mich der Lehre verschrieben, weil ich nicht nur mit der Theorie, sondern auch mit Menschen zu tun haben wollte“, sagt er über seine Motivation und gesteht: „Mein Ehrgeiz war es dabei, nie als bequem zu gelten. Ich wollte nicht immer nur die Besten einer Klasse fördern, sondern grundsätzlich alle mitnehmen.“ Wiederholungen des Stoffs sind daher an der Tagesordnung: „Jeder soll es verstanden haben.“ Vorlesungen, davon ist er heute noch überzeugt, leben vom Mitmachen. Das hat seine Seminare geprägt. Eine Erfolgsquote von über 90 Prozent bei den Prüfungen gibt dem Referenten recht.

Das Erfolgsgeheimnis guter Prüfingenieure

Sieht man vom unbestechlichen Ergebnis auf dem Papier ab – was macht für den Professor der Technischen Hochschule Köln einen guten Prüfingenieur der GTÜ aus? Manfred Wallrich, inzwischen 68 Jahre alt, muss nicht lange überlegen: „Abgesehen davon, dass er nicht alles immer nachschlagen muss, braucht er den Blick fürs Ganze. Neben Wissen in Technik und Recht gehört deshalb ein hohes praktisches Gespür dazu, und ohne Menschenkenntnis geht es überhaupt nicht.“

Einer seiner Prüfungskandidaten ist übrigens Robert Köstler – heute Sprecher der Geschäftsführung der GTÜ. Er verspürt zum Abschied Dankbarkeit aus eigener Anschauung: „Wir danken Professor Wallrich für sein jahrzehntelanges Engagement in der Aus- und Weiterbildung von Prüfingenieuren. Nicht nur die Lehre, auch der Mensch war ihm dabei immer wichtig. Er zählt zu den Stützpfeilern der heutigen GTÜ-Akademie, die sich ohne seine Pionierarbeit kaum hätte so entwickeln können.“

Das Rennen der Datenmonster

Was die Formel-1-Simulatoren und das von der GTÜ unterstützte SimRacing verbindet.

Fast schon unheimlich, was die jüngste Generation der Bewegungssimulatoren alles kann

Was haben Lewis Hamilton, 36, acht Weltmeistertitel in der Formel 1, und Mikka Maximilian Buck, 16, vom Team Eifel Racing gemeinsam? Eins auf jeden Fall: Beide verbringen eine ganze Menge Zeit mit Rennsimulationen. Hamilton, um sich einen Vorteil im Duell mit Max Verstappen zu verschaffen, Buck, um sein von der GTÜ unterstütztes Team im SimRacing nach vorn zu bringen. Ein paar Unterschiede gibt es zwischen den beiden dann aber schon: Während Lewis Hamilton einer der höchstbezahlten Athleten der Welt ist, frönt Buck seinem Hobby nach der Schule. Und während der Brite kein ausgesprochener Freund der Simulatorarbeit ist, kann sich der Deutsche kaum etwas Schöneres vorstellen. Was den Profi-Piloten und den Schüler wiederum eint, ist die hohe Qualität, die Rennsimulationen heute besitzen. Dank Lasertechnik und akkurater Datenverarbeitung kann jede noch so kleine Bodenwelle, jeder Randstein, jede Kurvenneigung einer Rennstrecke auf den Bildschirm gebracht werden.

Wer will schon schwankende Wohnzimmer?

Natürlich sind die Simulatoren in der Formel 1 so etwas wie die Champions League, sie funktionieren ähnlich wie die sich bewegenden Plattformen für Flugzeuge. So erlebt der Fahrer tatsächlich jede Lenkbewegung mit dem ganzen Körper mit, das kann ein Set-up für den Hausgebrauch natürlich nicht. Da kann selbst die Profiausstattung mit hydraulischen Pedalen, die Shootingstar Lando Norris zu Hause installiert hat, nicht mithalten. Wer will schon ein schwankendes Wohnzimmer? Der Brite ist ähnlich wie Max Verstappen aber einer jener Formel-1-Piloten, die auch in SimRacing-Serien mitfahren – und so ihre Popularität in beiden Welten steigern.

Mikka Maximilian Buck, Team Eifel Racing

Ferrari setzt sich an die Spitze der Entwicklung

Die SimRacer sind allerdings schneller und überall einsatzfähig. Denn der neue Simulator, den Ferrari gerade am Firmensitz in Maranello hat einbauen lassen, hat eine zweijährige Entwicklungszeit hinter sich. Bis er tatsächlich einsatzbereit ist, vergehen wohl noch etliche weitere Wochen. Erst muss das virtuelle Auto exakt auf den echten roten Rennwagen abgestimmt sein. Es wäre auch fatal, wenn Charles Leclerc und Carlos Sainz jr. sich nach getanem Simulator-Job bestens gerüstet für das nächste Rennen fühlten, ihr Dienstwagen dann aber komplett neben der Spur wäre. Simulatoren in der Königsklasse sollen die Sicherheit geben, dass in der Vorbereitung für einen Grand Prix alles richtig gemacht wurde. Was es so lebensecht macht: Simulatoren sind Hightech-Monster, die sich von Unmengen an Daten ernähren.

Der Weltmeister, dem schlecht geworden ist

Das ist der eigentliche Unterschied zwischen SimRacing und Formel-1-Simulator: Die Rennställe nutzen die Hightech-Anlagen nicht als Spielzeug, sondern probieren dort unter echten Verhältnissen neue Fahrzeugabstimmungen, Flügelkonfigurationen, den Einfluss weiterentwickelter Teile am Auto. Das spart eine Menge Material, Geld und Pleiten, ist aber ein Fulltime-Job. Klar, dass ein Lewis Hamilton dafür zu wenig Zeit (und wohl auch zu wenig Lust) hat. Deshalb beschäftigt jeder Rennstall erfahrene Simulator-Piloten. Entweder versierte Männer wie beispielsweise den Polen Robert Kubica oder Nachwuchskräfte wie Mick Schumacher, der mit jedem simulierten Kilometer auch noch selbst dazulernt. Für seinen Vater Michael übrigens, den siebenfachen Weltmeister, war die Simulatorarbeit schlimmer als Achterbahnfahren – ihm ist dabei regelmäßig schlecht dabei geworden.

Am Ende kommt es auf den Menschen an

Das Championteam von Mercedes nutzt seinen „Driver-in-Loop“-Simulator auch als virtuelle Teststrecke, um alle möglichen Rennstrategien durchzuspielen. Die Ingenieure können Tausende von Computersimulationen beschleunigen und sie parallel nebeneinander ablaufen lassen – auf diese Weise können in kurzer Zeit enorme Mengen an Informationen gesammelt werden. Mit dem Resultat, dass das virtuelle Werkzeug immer dichter an die Wirklichkeit herankommt. Die Entscheidungen aber trifft am Ende immer noch der Mensch. Den Ingenieuren obliegt die Verantwortung, die 3D-Ergebnisse zu interpretieren, mit der Realität zu kombinieren und dann die entsprechenden Schlüsse daraus zu ziehen. Alles eine Frage des richtigen Reaktionsvermögens.

Virtuelle Rennen in 360 Grad

Durch die Beschränkung auf immer weniger Testtage ist diese Art der Probefahrten zu einem entscheidenden und unverzichtbaren Hilfsmittel im modernen Motorsport geworden. Bis so eine Anlage steht, werden schnell zweistellige Millionenbeträge fällig. Der genaue Preis des Ferrari-Simulators ist unbekannt, wie überhaupt alles, was den Simulatorbereich betrifft, streng geheim ist. Dass der GTÜ-Blog zeigen kann, wie es dort aussieht, ist dem jungen britischen Spezialunternehmen Dynisma zu verdanken. Auf dem Bild bekommt der Laie zumindest eine Idee von der Anmutung der simulierten 360-Grad-Umgebung, in der die Top-Rennfahrer ihre Trockenübungen unternehmen. Die auf einem völlig neuen Konzept basierende Anlage besitzt die höchste Bandbreite aller auf dem Markt erhältlichen Bewegungssimulatoren.

Sicherheit und Autoindustrie profitieren auch

Auf die Ausbildung von Rennfahrern und die Ausprägung von Rennwagen allein bleibt diese Technik nicht beschränkt. Mehr und mehr Automobilhersteller und -zulieferer nutzen in der Entwicklung ebenfalls Fahrsimulatoren. Revolutionäre Teile und Konzepte müssen sich zuerst ausgiebig in einer virtuellen Umgebung bewähren. Auch der Fahrkomfort und das Handling von Automobilen oder Reifen wird nicht mehr nur auf echten Straßen getestet. Komplexe und extreme Fahrdynamikerprobungen und umfangreiche Systemtests für das autonome Fahren lassen sich im Simulator in völliger Sicherheit durchführen. So lassen sich jedes Jahr Milliarden sparen – an Investitionen wie an Emissionen. Das Prinzip gleicht dem in der Formel 1: Es erhöht die Leistung, spart Zeit und Geld.