Falsch abbiegen auf der Datenautobahn

Lassie, unser Kolumnen-Dienstfahrzeug, als Spürhund: Wem gehören die Daten im Auto?

Die ganze Welt scheint klüger denn je: Smarte Telefone, smarte Uhren, smarte Städte und natürlich smarte Autos. Wir bewerten das Unterwegssein nicht bloß in PS oder kW, sondern mehr und mehr in Gigabytes. Wer bisher mit km/h angegeben hat, kann das jetzt durch Übertragungsgeschwindigkeiten tun – bis auch dafür ein Tempolimit gefordert wird. Natürlich lenken wir noch selbst, zumindest werden wir in dem Glauben gelassen. Doch wie mächtig mag der Beifahrer künstliche Intelligenz schon jetzt sein? Es wirkt jedenfalls ungemein beruhigend, eine Teermaschine zu sehen. Die gibt einem die Gewissheit, nicht auf einer reinen Datenautobahn unterwegs zu sein. Denn auf der könnte es glatt passieren, dass wir zwar weiter geradeaus fahren, aber unsere persönlichen Daten heimlich irgendwohin abgebogen sind.

Wer wüsste nicht gern, was mit seinen Daten passiert?

Autos, Mobilität und deren Auswirkungen neu zu denken, das ist nicht Zukunft bei der GTÜ, sondern aktuelles Tagesgeschäft. Die digitale Transformation fordert gerade von einer Prüforganisation, immer up to date zu sein. Die Frage, wer die Datenhoheit im Auto hat, ist dabei eine sehr wichtige – und eine sehr sensible. Denn das Auto weiß mittlerweile eine ganze Menge über seine Fahrer und deren Gewohnheiten. Ob er nun falsch einparkt oder bei welchem Lied er falsch schief mitsingt, wie lange die Seitenfenster offen sind, oder ob er gern USB-Sticks benutzt. Vieles davon ist sinnvoll, manches wäre einem ganz egal. Aber wissen, was mit den Mobilitätsdaten passiert, das würde jeder natürlich gern.

Autofahrer nur noch Gäste bei der Software-Party?

Der Machtkampf, wem die Daten aus dem Auto gehören, wird auf vielen Ebenen geführt. Google & Co. zoffen sich gerade mit den Automobilherstellern. Das ist wenig überraschend, das ist ihr Geschäft. Aber wer fragt uns, die Fahrer? Wir wollen mehr als Gäste bei einer Software-Party sein, auch wenn es uns häufig mehr um die Hardware geht, beispielsweise, wenn wir Getränke holen fahren. Mittlerweile beschäftigt diese Frage auch den Bundestag, von dort stammt der schöne Begriff „Datentreuhänder“. Denn natürlich ist es auch gut für alle, wenn Daten ohne Rückschlüsse auf die Person zum Gemeinwohl beitragen können – die Staukalkulation im Navigationssystem ist das beste Beispiel für eine gelungene Schwarmintelligenz, ebenso der elektronische Fehlerspeicher für die Werkstatt.

Analoges Zwischenspiel zwischen digitalen Autos (Fotos: Bernhard Kahrmann)

Wir bewegen Smartphones mit Rädern

Beim letzten Fahrzeugwechsel ging der zuversichtliche Griff des Kolumnisten ins Leere: da war zwar noch ein Handschuhfach, aber nicht mehr das lieb gewonnene Betriebshandbuch („Wo steckt noch mal der Ölstab!?“). Gibt es nur noch in digitalisierter Form, abrufbar auf dem Touchscreen. Na gut, damit war zumindest erklärt, warum vor mit statt der gewohnten Instrumente ein wohnzimmertauglicher Fernseher prangt. Was der so alles zeigt, weiß und kann… Die Frage, wie groß die Ablenkung durch die Datenflut jetzt dort ist, wo früher nur gelenkt wurde, beantwortet stellvertretend Kollege Michael Pfeiffer, Chefredakteur von auto, motor und sport: „Ganz ehrlich: Ich will eigentlich vor allem Auto fahren und dabei in Ruhe gelassen werden.“ Doch für viele Menschen ist es längst zur Selbstverständlichkeit geworden, mit dem Auto oder über das Auto zu kommunizieren. Es ist ein Smartphone auf Rädern.

Die Sache mit der Transparenz

Zurück zur Kernfrage: Wie transparent ist der Umgang mit den Daten? Oder umgekehrt: Wie transparent sind mein Auto und damit ich? Nicht jeder hat ja ein so analoges Dienstfahrzeug wie die GTÜ-Redaktion. Kürzlich hat Lassie beim Besuch des Autohändlers ein hübsches Geschenk bekommen, einen hübschen Schlüsselanhänger mit GPS-Sender. „Unverlierbar“, hat der freundliche Mitarbeiter gesagt, „am besten an den Autoschlüssel machen. Sie wissen dann immer genau, wo er ist.“ Und der Händler, wo ich bin. Der leicht misstrauische Autor hat das schicke Teil dann nicht mit in die Wohnung genommen, sondern draußen geparkt. Ohne Schlüssel. Feierabend für heute mit der digitalen Zukunft. Bis es klingelt, und die Nachbarin sagt: „Entschuldigung, aber irgendwie piept ihr Blumentopf aufdringlich…“

Wer hat noch den Durchblick bei den Daten im Auto?

Die Tanksäulen der Gesellschaft

Sogar Lassie, unser Kolumnen-Dienstfahrzeug, liebt Tankstellen. Das muss etwas mit Kultur zu tun haben.

Die Tanksäulen der Gesellschaft (Foto: Philipp Reinhard)

Die Pinakothek der Moderne in München ist nicht unbedingt ein Ort, an dem sich eine Zapfsäule vermuten lässt. Aber doch, mitten in der wunderbaren Designsammlung findet sich ein besonders schönes Stück, und das Leuchtschild gleich dazu. Es stammt von 1950, und die Museumsmacher haben es mitten in den Saal gestellt. Wie ein Mahnmal. Tatsächlich, die Tankstelle als Kulturgut im täglichen Straßenverkehr stirbt aus. Nicht erst seit heute oder seit Tesla, sondern schon ein Weilchen. Gegenüber 1960 ist ihre Anzahl um drei Viertel auf 15.000 gesunken. Und bald sollen da keine Säulen mehr stehen, sondern große Batterien. Ob die als Stützen der Gesellschaft taugen?

Tanken ist ein Ritual, die Tankstelle ein Autokino

Nicht, dass es besonders sexy wäre, den Dieselhandschuh überzustreifen oder den Mega-Staubsauber so lange in Richtung Rückbank zu zerren, bis der 50-Cent-Kredit schon vor der Reinigung verbraucht ist. Aber die Fahrt zur Tankstelle ist wie der Gang zum Briefkasten: ein liebgewonnenes Ritual. Wer weiß schon, was er vorfinden wird. Wie, es schreibt doch keiner mehr Briefe? Angeblich soll auch bald keiner mehr tanken, denn Elektromobile lassen sich auch zuhause laden. Mag alles richtig sein. Aber wenn die Pumpe vibriert, dann hat das immer noch einen eigenen Vibe. Man tankt ja nicht bloß Sprit. Hier geht’s ja auch um Esprit. Oder, wie die Marketingmenschen so gern sagen: die Experience. Manchmal hat Tanken fahren wirklich etwas von Autokino.

Große Freiheit Tankstelle: Wie lange noch – und wie weiter?

Hat da ein Symbol der Freiheit ausgedient?

Jeder könnte auch zu Hause seinen Kaffee trinken. Trotzdem gehen die Menschen gern ins Café. Der Kolumnist auch. Denn da bekommt er nicht nur einen Extra-Keks, sondern auch etwas vom Leben mit. Auch für den Coffee-to-drive geht es manchmal an die Tankstelle. Selbst wenn im Inneren dieser Megatanken gelegentlich ein eigenes GPS hilfreich wäre. Es sind ja längst Supermärkte mit angeschlossenen Zapfsäulen. Pardon, der Tankwart meines Vertrauens legt Wert darauf, dass er ein Bistro und einen Shop betreibe. Und macht mehr als 60 Prozent seiner Umsätze nicht mehr mit dem Tanken. Auf den Wunsch nach einem zweiten Mandelkeks reagiert er prompt, er erkennt den Liebhaber. Auf die Frage, ob die Tankstelle als Symbol der Freiheit endgültig ausgedient habe, kommt er ins Grübeln. Vielleicht sollten wir ihm zu Weihnachten einen Bildband aus Kalifornien mitbringen. Dort gelten viele der alten Stations mit ihrer leicht übertriebenen Architektur immer noch als Kathedralen des Kraftstoffs. Hübsch anzugucken, aber sie wecken auch Melancholie.

Beim Tanken zeigt sich, wer treu sein kann

So, wie jeder auf „seine“ Bäckerei schwört, folgen wir auch meist dem Schild eines bestimmten Mineralöllieferanten. Zumindest alle, die keine Sparfüchse sind und zu Tankvagabunden wurden. Der Kolumnist hat schon als kleiner Junge Markentreue gelernt. Und zweimal die Woche den Vater zu Esso getrieben, obwohl der Tank des Commodore noch gar nicht leer war. Aber: für jeden einzelnen Tankstellenbesuch gab es eine Sammelmünze oder einen Satz Klebebilder. Die Alben füllten sich über die Jahre. Mit Fußballern, Abenteurern, Olympioniken, Erfindern. Irgendwie war das nachhaltiger als bloß Punkte zu sammeln oder Rabattcoupons einzulösen. Es hatte etwas mit Kultur zu tun.

Ein echtes To-Go-Erlebnis

Tankstellen und ihre Pächter sind die Nachtportiere der Republik und auch der Frühstücksraum der mobilen Gesellschaft. Wir sind gespannt, was aus ihnen wird, wenn Ladeparks entstehen und wir mit Brennstoffzellen fahren. In Hamburg, direkt gegenüber der allwissenden Spiegel-Redaktion, haben wir die Zukunft schon gesehen. Dort lässt sich schon Wasserstoff tanken. Allerdings: für den Kaffee muss man über die Straße, in die Spiegel-Kantine. Heißt ja auch to go.

Auch Lassie besucht gern mal den Frühstücksraum der Republik (Fotos: Bernhard Kahrmann)

„auto, motor und sport“ stellt die Systemfrage

Die GTÜ-Position zu den Fahrerlaubnisprüfungen trifft auf ein breites Medienecho.

Die Zeitschrift „auto motor und sport“, immer noch das Flaggschiff der Automobilmedien hierzulande, hat die von der GTÜ und den Fahrlehrerverbänden angestoßene Monopoldebatte unter der Überschrift „Lange Wartezeit auf Fahrprüfung – wer ist schuld?“ aufgegriffen. Das Magazin kommt zu dem Schluss: „Die Corona-Pandemie ist ein Grund dafür, dass Fahrschüler derzeit lange auf Termine für die praktische Prüfung warten müssen. Es gibt aber noch weitere, tief im System verankerte Ursachen. Fällt deshalb langfristig das Fahrerlaubnisprüfungs-Monopol von TÜV und Dekra?“

Robert Köstler kann schnelle Entspannung versprechen

Mit Verweis auf Paragraf 10 des Kraftfahrsachverständigengesetzes (KfSachvG) erklärt das Blatt noch einmal, dass ein Bundesland jeweils nur eine Technische Prüfstelle (TP) beauftragen darf. Zwei Organisationen teilen sich bisher die Aufträge – je nach Bundesland führt entweder der TÜV oder die Dekra den Auftrag aus. Die Ansicht der Redakteure: „Eine Öffnung des Kraftfahrsachverständigengesetzes könnte langfristig zu kürzeren Wartezeiten führen.“ Dabei kommt der Vorschlag von GTÜ-Geschäftsführer Robert Köstler ins Spiel. Er schlägt vor, für eine kurzfristige Entspannung die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) so anzupassen, dass nicht nur amtlich anerkannte Sachverständige die Prüfungen abnehmen dürfen, sondern auch Technische Prüfingenieure mit einer vergleichbaren Ausbildung. Langfristig müsste aber auch das Kraftfahrsachverständigengesetz angepasst werden, denn das Monopol der Technischen Prüfstellen habe sich überholt.

Höherer Zeitaufwand, noch weniger Prüfungsplätze

In der „Frankfurter Neuen Presse“ schildert der Fahrschulbetreiber Michael Knab seinen Frust über den Umgang mit den Fahrerlaubnisprüfungen im Alltag und über die Verzögerungen der letzten Monate. Aufgrund der Engpässe sei es dazu gekommen, dass fertig ausgebildete Schüler zusätzliche Fahrstunden nehmen mussten, um die Wartezeit bis zu ihrem Prüfungstermin zu überbrücken. Neue Richtlinien, die eine digitale Bewertung durch den Prüfer vorsehen, hätten wegen des höheren Zeitaufwands zu einer weiteren Verringerung der Prüfungsplätze um 20 Prozent geführt.

Von Frankfurt bis Lübeck werden Missstände angeprangert

„Fahrschulen in Bedrängnis; Mangel an TÜV-Personal führt dazu, dass auf die Prüfung bis acht Wochen gewartet werden muss“, prangern die Lübecker Nachrichten Anfang November an. Auch die „Frankfurter Rundschau“ titelt immer noch: „Stau bei den Prüfungen“. Zitiert wird in den Berichten auch Fahrschulvertreter Rainer Zeltwanger, der plakativ vorrechnet, was an Mehrkosten auf wartende Fahrschüler zukommt: „Sie müssen während der Wartezeit zweimal die Woche eine Doppelstunde nehmen. Jede einzelne Fahrstunde kostet etwa 60 Euro.“ Zu dem Personalmangel und seinen dramatischen Auswirkungen hat Zeltwanger eine klare Meinung: „Ein Unding.“